380 Kilometer mit dem Rennrad von Berlin nach Bremen
Berlin Mitte – der Start
Rosenthaler Straße. 14:30 Uhr. Es ist Spätsommer. Sonne und 34 Grad. Ich habe gerade meine Büroklamotten gegen Bibtights, Jersey und Helm gewechselt. Hole mein Rad aus der Tiefgarage des Bürokomplexes und mache mich auf, nach Bremen zu radeln. 380 km. Am Stück.
Das Warum, Teil 1
Es ist eine Übungsfahrt. Ich muss wissen, wie es sich anfühlt, eine Nacht lang ohne Pause durchzufahren. Denn auf dem Plan steht eine noch längere Fahrt: die Bremen-Brocken-Bremen-Tour, also 510 km, die in 24 h bewältigt werden wollen. Das geht nur mit durchfahren. Aber wohin legt man dann die Nacht? Um 2 Uhr morgens starten, um 24 h später wieder um 2 Uhr anzukommen? Ich hielt das zunächst für eine gute Idee, aber heute in Berlin teste ich es anders: Nachmittags los und in die Nacht hinein- und hindurchfahren.
Die Nacht – muss man da nicht schlafen?
Als gegen 20 Uhr die Sonne untergeht, beginnt der spannende Teil meiner Reise. Der eigentliche Test also. Ich bin schon ein bisschen aufgeregt. Werde ich schläfrig werden? Werde ich mich hinlegen müssen? Vorsichtshalber hab ich ne Matte und einen leichten Schlafsack mit. Und Koffeintabletten. Aber ich werde diese Dinge nicht brauchen. Denn durch die körperliche Aktivität wird mir nicht nach schlafen sein. Ich bin irgendwann sowas wie ein bisschen groggy, aber ob das an der Monotonie des alleine Fahrens liegt oder an der Erschöpfung der langen Fahrt kann ich nicht so recht sagen. Was ich jedoch merke, als die Helligkeit am nächsten Morgen zurückkehrt, ist, dass ich mich wieder sehr wach und erstaunlich fit fühle. Das Tageslicht triggert wieder die Serotoninproduktion und ich fühle mich sehr gut, als ich um 8 Uhr ankomme.
Essen und Trinken – das muss aber schon, oder?
Sicherlich. Ich habe Brote von zu Hause mit, die ich nach und nach esse. Riegel aller Art runden die feste Energiezufuhr ab. Und ich bin froh um den Proviant. Denn am Ende der ersten ca. 40 km durch Berlin und an der autoreichen B5 entlang, fahre ich durch den einen Naturpark nach dem anderen: Westhavelland, Aland-Elbe-Niederung und Elbhöhen-Wendland. Dort ist es nicht nur auto- und menschenleer, sondern auch weit und breit infrastrukturfrei. Als sich mein 1,8 l Wasservorrat zu erschöpfen beginnt werde ich etwas nervös. Friedhöfe und Tankstellen, an denen ich mich sonst gerne versorge, wollen im Wald oder in den kleinen Dörfern einfach nicht auftauchen. Am Ende frage ich einen Anwohner, der noch spät seinen Garten wässert und er hilft mir aus. Gerettet. Später werde ich doch noch einige Friedhöfe passieren. Insgesamt trinke ich aufgrund der anfänglichen Hitze ca. 8 Liter während der Reise.
Das Warum, Teil 2
Ja, das ist noch der andere Grund. Der viel diffuser ist als der Testgedanke aus Teil 1. Radfahren ist für mich nicht nur Mittel zum Zweck, um von A nach B zu kommen. Der Weg ist das eigentliche Ziel. So weit mit dem Rad zu fahren ist keine Spaßveranstaltung. Es tut weh. Muskeln, Hände, Füße, Hintern.
Die Monotonie und die Erschöpfung. Aber zugleich ist es auch wunderbar durch die Landschaft dahinzugleiten. Als ein Teil von ihr.
Und es ist ein herrliches Gefühl, mit eigener Muskelkraft eine Distanz von 380 km zu überwinden. Zu wissen, dass ich dazu imstande bin.
Bike ´n Stuff – was ich fahre
Ein Gravelbike. Kernstück des Custombuilds ist ein direktimportierter OEM-Rahmen aus dem chinesischen Hause Carbonda. Die Geo ist graveltypisch relaxed mit einem Stack-to-Reach Verhältnis von 1,51 aber es ist ein Dropbarbike und daher schnell.
Auf dem 650B Laufradsatz von 9th Wave mit 27mm Maulweite sind die tubeless aufgezogenen Schwalbe G-One Allround Speed mit 50 mm genau die richtigen Pellen, um schnell auf der Straße zu rollen und gleichzeitig genügend Gripp und Komfort in den sandigen Waldpassagen zu bieten. Ich hab nicht einen Platten und auch sonst keine technischen Defekte. Das mag Glück sein.
Ausreichend Licht spendet eine B&M Ixon Space auf der Landstraße. In Leuchtstufe 2 (von 8) tut sie dies ca. 30 h lang. Im Wald schalte ich eine ältere Giant Lampe dazu, die mit ihrem hellen Steulichtkegel für Klarheit sorgt. Nach hinten hält das Lidl-Rücklicht tatsächlich 9 h durch, bevor die Ersatzleuchte übernehmen muss. Und der Wahoo Roam 2 kommt nicht annähernd an seine Laufzeitgrenze. Die Powerbank bleibt also ungenutzt in der Tasche.
Meine Arbeitsgeräte und Büroklamotten sind mitsamt Proviant und meinem Optimus Sturmkocher in meiner Tailfin Rack Top Bag über dem Hinterrad untergebracht. Schlafsachen und ein paar Klamotten in einer Rolle am Loop meines Redshift Kitchen Sink Lenkers. Mit allem drum und dran kommt mein Rad auf ca. 20 kg.
Bei 34 Grad fahre ich natürlich kurz-kurz und so luftig es nur geht, aber nachts hole ich dann doch irgendwann Armlinge und Windweste raus.
BBB-Readyness
Ich fühle mich für Bremen-Brocken-Bremen gewappnet. Schaffe ich 380 km alleine, dann sollten 510 zu zweit machbar sein. Ich bin gespannt.